Enormes Orm bringt mich in Form

Blogschrift Nr. 4:

Tagelang saß ich an einer neuen Kurzgeschichte und kam keinen Buchstaben voran. Dabei hatte ich alles, was ich dazu brauchte: Das Grundgerüst, wie die Markus_fertig_zensiertGeschichte aussehen sollte, die Wortspielereien, die ich darin einflechten wollte und selbst schon eine tolle Überschrift, mit der ich mich in der Regel immer schwer tat. Trotzdem wollte das Schreiben einfach nicht funktionieren.
Am sechsten Tag hieb ich, der Verzweiflung schon sehr nahe, in die Tastatur meines Laptops, denn mit Stift und Papier schreibe ich nur noch selten, und beobachtete, wie sich die einzelnen Tastenschläge zu unsinnigen Wortschlangen im Schreibprogramm bildeten. Unsinnig in meinen Augen, aber das reichte mir als Grund völlig, sie mit einem Klick auf Entfernen ins Jenseits zu befördern.
Was will ich schon von Worten, die eine identische Kreativität aufweisen, wie diese, die ich bis heute noch an den Tellerrand bei Buchstabensuppe lege? Dann wiederholte sich die Prozedur wieder und wieder, bis ich irgendwann völlig gereizt meinen Laptop zuklappte und mich aufs Bett warf. In dem Moment kotzte mich mein Hobby, Geschichten zu erfinden und niederzuschreiben so an, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte als ein neues Interessenfeld.

Und dann plötzlich geschah etwas, was ich persönlich die “Erleuchtung des Schreibens” nenne, wofür aber der Schriftsteller Walter Moers in seinen Büchern “Die Stadt der Träumenden Bücher” und “Das Labyrinth der Träumenden Bücher” einen viel besseren Begriff erfand: das Orm, einen Zustand, den jeder leidenschaftliche Schriftsteller erreichen kann, und der nur noch verstärkt wird, durch die Fähigkeit, das “Alphabet der Sterne” lesen zu können, das am Nachthimmel wunderbare Sätze und Geschichten spinnt.
Was meine Person angeht, so äußert sich das Orm, indem vor meinen Augen der fertige Text auftauchte und ich nur schleunigst wieder meinen Laptop hochzufahren brauchte, um diese Textzeilen zu übertragen. Denn dieser Zustand ist nicht von Dauer, da ist Eile geboten.

In Walter Moers Bücherreihe ist nur den allerwenigsten Schreibern des fantastischen Kontinents Zamonien das Orm vergönnt, da die Erlangung dieses Zustandes sich schwieriger gestaltet als es klingen mag. Manchen trifft es auch nur per Zufall. Auch die Hauptfigur, ein Lindwurm namens Hildegunst von Mythenmetz hätte wohl nie das Durchströmen des Orms an seinem eigenen Leib erfahren, wenn er nicht dem Geheimnis eines makellosen Manuskriptes auf die Spur gegangen und dadurch in den Tiefen von Buchhaim auf allerhand Abenteuer und Charaktere wie zum Beispiel die Buchlinge getroffen wäre. (Nachzulesen in: Die Stadt der Träumenden Bücher.) Sie memorieren die Werke berühmter Schriftsteller und benennen sich nach ihnen. Moers’ erfolgreiche zamonische Schriftsteller tragen nicht selten Namen, die aus den Anagrammen wirklicher Schriftsteller bestehen. So gibt es etwa “Ohjann Golgo van Fontheweg”, “Dölerich Hirnfidler” oder “Perla la Gadeon” (viel Spaß beim Enträtseln!).

Ich kann das Orm oder wie ich es für mich weiter “Erleuchtung des Schreibens” nenne, seit etwa zwei Jahren erfahren, meistens dann, wenn ich damit überhaupt nicht rechne. Das Tolle an diesem Zustand sind sowohl für die Schreiber aus Zamonien wie auch für mich: die makellosen Texte, die man dadurch schreibt. Okay, in meinem Fall ist das vielleicht jetzt etwas übertrieben, aber unbestreitbar ist, dass sich die textliche Qualität in so einem Zustand deutlich steigert. Deshalb ersehne ich mir das Orm auf Dauer herbei, wenn das irgendwie gehen würde. Falls ja, dann kann es gut möglich sein, dass mal einer der Buchlinge Berra Glumsk heißt.
Aber das steht noch im Alphabet der Sterne.

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