Félix González-Torres, Untitled (Fortune Cookie Corner), 1990, Installation Opelvivillen 2020

25. Mai bis 5. Juli 2020 in den Opelvillen: Felix Gonzalez-Torres “Untitled” (Fortune Cookie Corner) 1990

Glückskekse, einzeln in goldene Folie verpackt, unendliche Auflage

Maß und Proportion variiert mit der Installation und dem jeweils gegebenen Ort

Originalinstallation: ca. 10.000 Glückskekse

Leihgabe aus Privatbesitz

Ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Felix Gonzalez-Torres Foundation, New York

Neue Website ab 23. Mai 2020 – www.felixgonzalez-torresfoundation.org

Please take oneGäste sind eingeladen, jeweils einen Glückskeks mitzunehmen

Das Werk „Untitled“ (Fortune Cookie Corner) von 1990 ist das erste aus der Serie der „candy pieces“ von Felix Gonzalez-Torres. Es besteht aus einem in der Raumecke direkt auf dem Boden aufgeschütteten Berg von Glückskeksen, die individuell in Goldfolie verpackt sind. Bei diesen “Fortune Cookies” handelt es sich um ein knuspriges Süßgebäck, in dessen Inneren sich ein Papierstreifen mit einem Sinnspruch oder einer Zukunftsdeutung befindet. Glückskekse sind vor allem in den Vereinigten Staaten und in Europa verbreitet, wo sie in chinesischen Restaurants nach dem Essen angeboten werden, sie sind allerdings japanischen Ursprungs.
Der verlockende Gegenstand eines “Fortune Cookie” transportiert hochemotionale Inhalte. Felix Gonzalez-Torres zielt mit diesem Werk ins Herz einer gesellschaftspolitischen Diskussion im Kontext der AIDS-Epidemie in Amerika Anfang der 1990er-Jahre.

Hinzu kommt die mit dem Werkkonzept verbundene Aufforderung, dass jeder Gast eingeladen ist, jeweils einen Glückskeks wegzunehmen und ihn nach Belieben entweder gleich zu verzehren oder mit nach Hause zu nehmen.
Einerseits handelt es sich um eine überraschende ästhetische Erfahrung im Raum, andererseits um eine sehr sinnliche durch den eigenen Körper. Der schimmernde Glanz der Verpackung, ein golden schimmernder Haufen, der Geschmack, der Sinnspruch, die Partizipation der Betrachterinnen und Betrachter sowie die Vorstellung des sukzessiven Verschwindens der Skulptur bilden einen hochkomplexen Zusammenschluss von Öffentlichem und Privatem zu einer Art innerer Landschaft. Die Zuschauer spüren vielleicht erst mit der Zeit, mit zunehmender Beschäftigung, ihre eigene Verantwortung dem Werk gegenüber. „Untitled“ (Fortune Cookie Corner) erzählt von der Vergänglichkeit eines solchen Werks, aber auch von der Fragilität menschlicher Existenz. Begriffspaare wie Erinnerung und Sehnsucht, Erscheinen und Verschwinden oder Abwesenheit und Verlust beschreiben den Grundton dieses melancholisch gestimmten Oeuvres. Es feiert aber auch Momente der Hoffnung, der Möglichkeiten und den Augenblick unserer Gegenwart. Mit zum Teil verblüffender Einfachheit und Radikalität erreicht der Künstler durch äußerste Ökonomie der Mittel ein Höchstmaß an Ausdruckskraft und Poesie. Die Räume mit den Werken von Felix Gonzalez-Torres haben eine Klarheit und Offenheit, ein Leuchten, ja eine Schönheit, in die wir eintreten, von der wir ein Stück mitnehmen oder verzehren und in der wir uns unserer Gegenwart bewusst werden.

Andrea Rosen, die den Nachlass von Felix Gonzalez-Torres vertritt, betont in der momentanen Zeit der Corona-Epidemie die Aktualität des Werkes: “What is important about this moment is how global it is,” und sie fügt hinzu “It make people acknowledge that significant crises – whether that be a war, a genocide, or the AIDS epidemic – have often been depersonalized for those people who are not affected. This moment is an opportunity to realize what it feels like to be one site, one globe, one world – everything that’s happening affects us all.” Empathie ist dabei sicherlich der zentrale Begriff.
Andrea Rosen, die die Ausstellung kuratiert, hat 1.000 Menschen auf der ganzen Welt zur Teilnahme eingeladen, darunter Freunde von Gonzalez-Torres, Künstler, Kuratoren, Kollegen, die Arbeit an einem Ort ihrer Wahl zu installieren – Wohnhäuser, Kunstinstitutionen und öffentliche Räume.

Die Präsentation des Werkes “Untitled” (Fortune Cookie Corner), reflektiert die sowohl kurze als auch erfolgreiche Karriere des ursprünglich aus Kuba stammenden Künstlers Felix Gonzalez-Torres, der sich 1979 in New York niederließ, wo er Kunst studierte und dann bis zu seinem frühen Tod als Künstler tätig war. Im Alter von nur 38 Jahren starb er 1996 an den Folgen von AIDS. In den 1980er-Jahren wurde er Mitglied des Künstlerkollektivs Group Material; er war ein engagierter gesellschaftspolitischer Aktivist und schuf in einem relativ kurzen Zeitraum von knapp 10 Jahren ein überaus einflussreiches Werk, das auch in einem kritischen Verhältnis zur Konzeptkunst und zum Minimalismus betrachtet werden muss. In einem breiten Spektrum an Medien werden politische Kritik, emotionale Wirkung und tiefe formale Interessen miteinander verbunden. Als Ausgangspunkt dienen oft Objekte des täglichen Lebens, wie Uhren, Spiegel oder Lichterketten. Zu seinen bekanntesten Kunstwerken gehören große Mengen aufgehäufter Bonbons und Papierstapel, denen die Besucherinnen und Besucher ein Bonbon oder ein Blatt Papier entnehmen dürfen. Mit diesen Werken wie auch mit seinen Girlanden aus Glühlampen oder seinen tickenden Uhrenpaaren, die unweigerlich aus dem Gleichtakt geraten, erforschte Gonzalez-Torres die Zusammenhänge zwischen der Zeit, der Autorität, der Kunst und der menschlichen Existenz. Auch diesen Kunstwerken liegt die Prämisse der Instabilität und der potenziellen Vergänglichkeit zugrunde. Zusammengenommen ergeben diese Werke ein zutiefst humanes, intimes und fragiles Œuvre, das viele scheinbar unerschütterliche Gewissheiten ins Wanken gebracht hat.

Dr. Mario Kramer, MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST

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