Berichte von der Insel – 13. Die Wunderwaffe
Eine Prosaminiatur von Walther
Das Sportprogramm der Fachklinik Bochum hatte eine Wunder- und Allzweckwaffe: eine rotblonde weibliche Ausgabe einer Sportskanone, diesmal keiner eingebildeten, sondern einer echten.
Anne Dembowski* ist ein Phänomen, und man darf hoffen, dass sie der Fachklinik Borkum noch eine Weile erhalten bleibt. Schlank, sehr sportlich und muskulös, höchsten ein Meter sechzig groß, erschien sie beim Zusammentreffen vor dem ersten Kurs höchstens anfang vierzig. Erst wenn man sie näher in Augenschein nahm, wurde man gewahr, dass ihr Lebensalter deutlich höher lag. Ich schätzte sie nach dem zweiten Hinsehen auf um die fünfzig herum – eine Tatsache, die meinen Respekt vor ihrer Fitness nicht unwesentlich steigerte.
Da die Insel Borkum recht klein ist und die Strandpromenade eigentlich alle an Sonnensonntagen Mitte Januar / Anfang Februar anzog, traf ich die Trainerin mit ihrem Mann auf einem solchen Sonntagsspaziergang. Im Gespräch erfuhr ich, dass sie drei Kinder hatte, die bereits in der Pubertät waren; dass sie Sport professionell betrieben hat, bevor sie beruflich in die Physiotherapie einstieg, hatte sie in einem der Trainings bereits ganz am Anfang berichtet. Sie war sehr freundlich und durchaus offen, wenn man am Rande dieser Einheiten mit ihr sprach. Ebenso erzählte sie, dass sie sehr gerne Bogensport betreibt, also Ausgleich und als Konzentrationsübung; einer der Kurenden hatte bei einer Trainingsstunde von dieser eher seltenen Sport berichtet.
Erstaunt hat mich nicht nur ihre gleichbleibende Herzlichkeit. Sie hat freiweg recht nüchtern berichtet, dass sie auch deshalb auf die Insel gezogen wäre, weil sie selbst Asthmatikerin ist. Seit sie auf der Insel lebt, habe sie fast keine Beschwerden mehr gehabt. Allerdings meinte sie ebenso sachlich, dass nicht garantiert werden könne, dass das Asthma bei allen verschwände; es gäbe durchaus schwere Asthmatiker unter den Borkumern, deren körperliche Einschränkungen zwar gelindert würden, aber nicht völlig verschwänden durch das einzigartige Hochseeklima der Insel, das sie von allen anderen deutschen Nord- und Ostseeinseln unterscheide.
Man kann also leider nicht davon ausgehen, dass die Gleichung immer Insel ist gleich nie mehr Asthma aufgeht. Der zuständige Lungenfacharzt hat das bestätigt.
Sonst wäre die Insel wohl übervölkert, habe ich messerscharf geschlossen. Wobei: Die Grundstückspreise sind so hoch, dass sich ein Insulaner den Bau eines eigenen Hauses nur dann leisten kann, wenn er in der Familie ein Grundstück hat – und diese sind rar, weil die Verwaltung keinen neuen Baugrund mehr ausweist.
Die Trainerin beherrschte von Rückengymnastik über Pilates, Atemtechnik, Kreislaufzirkel mit diversen Geräten alles perfekt und konnte motivierend erklären und begleiten. Das will etwas heißen bei einem Publikum, das aus Scheintoten (ab 75), Atemlosen (allen Alters) und mehrheitlich adipösen Couchpotatoes bestand. Ich selbst habe mich bei den letzteren beiden eingeordnet und war heilfroh, dass ich seit etwas über zwei Jahren richtig beim Training Gas geben hatte. Ich kam also in der Regel nicht außer Atem.
Bei mir waren das Gleichgewichtsorgan und die Kniegelenke der Knackpunkt. Gegen beides kann man etwas tun: Im ersteren Fall das Gleichgewichtsorgan und die Koordination durch Übungen anregen und im zweiteren Fall schlicht weitere Pfunde loswerden.
Ich habe mir das in der Kur vorgenommen und die Dinge tatsächlich in Angriff genommen. Auch die Entspannungstechniken, die wir in der Reha eingeübt haben, kommen in etwas abgespeckter Form zum Einsatz. Das mit einer 16*8 Diät kombiniert, hat Gewichtsabnahme und besseren Schlaf zur Folge gehabt -letzteres hat schon ab Woche zwei auch in der Rehabilitation gut funktioniert, trotz sehr gewöhnungsbedürftigem Bett und des Vermissens der Herzensdame an meiner Seite.