Berichte von der Insel – 8. Waschorgie
Eine Prosaminiatur von Walther
Drei Wochen fern der Heimat beschert vor allem eines: Wäscheberge. Wenn man das letzte Mal vor – seien wir für eine logische Sekunde ehrlich – zwei bis drei Jahrzehnten eine Waschmaschine in Gang gesetzt hat, hat man in einem solchen Fall ein kleines Problem. Wenn man ein Problem hat, das gelöst werden muss, bleibt die Kopf-in-Sand-Variante nicht lange auf dem Tisch. Vielmehr gilt es, den berühmt-berüchtigten Stier bei den Hörnern zu packen; da dieser tierisch gefährlich werden kann und das Fallierungsrisiko mit einer erheblichen Falltiefe verbunden ist, sollte man als Erstes einen Plan machen.
Gesagt, getan.
Zuerst wurden Erkundigungen über Lokation, also den Ort, des Waschgeschehens. Dabei wurde umgehend ein Termin eingetragen. Nach Besichtigung wurde aus einem Eintrag gleich deren vier, also zweimal waschen und dreimal trocknen. Schließlich wurden die Chips für die Maschinen erworben und im Zimmer zwischengepuffert. Puh, Teil 1 der Organisation erledigt.
Ergebnis: Der Sonntagnachmittag in der Mitte der Reha-Aufenthalts schien damit bereits zur Gänze gefüllt. Expertinnen haben mir nachher verraten, dass man das auch während der Pausen der Anwendung einschieben kann. OK, machen wir bei der nächsten Kur besser. Wir sind ja lernfähig.
Dann das Waschmittel. Hm, mit oder ohne Weichspüler? Reisegrößen? Ersteres klärte eine kurze WhatsApp-Unterhaltung. Ohne. Dabei wurden gleich auch die Temperaturthematik und der Waschgang erörtert. Weißwäsche und normales Buntes 60 Grad. Pullover bzw. Wolle auf keinen Fall mehr als 30 Grad. Und immer Schongang. Aha. Wieder was gelernt.
Die Frage nach der Reisegröße klärte sich beim freundlichen Insulaner an der Rezeption. Der meinte trocken, man möge den Rossmann aufsuchen, die hätten so was seiner Erinnerung nach. Der Rossmann hatte an diesem Sonntag, also jenem, als die Planung der Waschorgie auf dem Plan stand, offen. Und er hatte Reisegrößen. Drei Stück erworben, von denen nachher zwei die Rückreise antraten. Nun ja, manchmal kann man es mit der Vorsicht auch übertreiben. Meinte die Liebste nach Bericht von der Waschorgie späterhin. Beim Kauf war ich um eine Sorge reicher und ein paar Euronen ärmer.
Als dann der Sonntag der Waschorgie anbrach, wurde die Wäsche fein säuberlich in zwei große Taschen getrennt. Diese wurden im Schweiße des Angesichts die Treppe hinunter expediert. Als ich auf dem Treppenabsatz im EG die Taschen neu ordnete und wieder über die Schulter wuchtete, kam eine mittelalterliche Dame vom Essensnebentisch mir entgegen und meinte, sie hätte umweltschonender Weise eine ganze Familienflasche Buntwaschmittel erworben, ich könnte gerne davon abhaben. Ich lächelte freundlich und meinte dankend, dass das Malheur meinerseits leider bereits eingetreten sei, ich hätte die Reisegrößen bereits erworben. Sie lächelte säuerlich zurück und wünschte mir eine gesegnete Verrichtung.
Ich mir auch, ehrlich gesagt.
Das Waschen selbst entpuppte sich als leichte Übung. Klamotten rein, Waschmittel rein, Waschgang wie geplant und angeraten einstellen, Start drücken, los geht’s, Mittagessen. Super, war doch einfach, wozu der Angstschweiß. Allerdings war eine der drei Waschmaschinen, alle Miele unterschiedlichen Alters, defekt. Aber die beiden Trockner taten. Schien es wenigstens.
Das Abenteuer lauerte nach dem Dessert, sonntags wie immer Eis.
Der Waschgang war vollbracht – und es hat, wie man mir vorhersagte, nicht einmal wehgetan. Ich ging ans Umfüllen. Gewaschene Wäsche in den unbeschäftigten der beiden Trockner, Feinwäsche aus der anderen Tasche in die Waschmaschine. Da der Waschgang länger dauerte, diesen auf Feinwäsche einstellen, Portion Waschmittel einfüllen, Wäsche rein, Türe zu, Münze rein und danach starten. Genau in dieser Reihenfolge, sonst wird die Münze gefressen, und diese kostete immerhin drei ganze Euronen.
Danach kam der Trockner dran, aber nur sehr kurz. Trommel befüllt, Tür geschlossen, Programm nach Vorgabe vom Familienvorstand zuhause gewählt, Münze rein, starten, nix rührte sich. Aber eine Meldung prangte sichtbar: „Fusselsieb leeren!“
Fusselsieb? Was ist das denn!, entfuhr mir protestierend. Zum Glück war eine mitkurende Patientin anwesend und meinte trocken: Haben wir gleich.
Also: Türe wieder auf, Fusselsieb suchen und finden, Fusselsieb in den vorhandenen Mülleimer leeren, Fusselsieb wieder einbauen. Türe zu, starten. Die nächste Fehlermeldung. Ich dachte, ich kriege die Krise.
„Wärmetauscher warten!“
Und nun? Nur keine Panik.
Der Trockner machte, was er sollte. Mit Fehlermeldung. Ich ging also rauf zur Rezeption und berichtete dem dortigen freundlichen Insulaner von der Meldung. Der meinte nur: Jetzt kommt es dicke. Da muss der Service kommen, das kriegen unsere Techniker nicht geregelt. Zum Glück sind die Häuser noch nicht voll.
OK, dachte ich bei mir, darauf keinen Dujardin, aber durchaus mindestens einen schwarzen Kaffee. Es wurden deren zwei und ca. 50 Seiten englischer Krimi. Dann war der zweite Waschgang durch und der ersten Trocknergang. Wäsche wieder umfüllen, die trockene in die dafür vorgesehene Tüte, die feuchte in den Trockner, scheiß auf die Meldung. Der Trockner ließ sich in Gang setzen, das Fusselsieb motzte nicht noch einmal.
Wieder rauf, eine Tasse schwarzer Kaffee und ca. 35 Seiten englischer Schmöker. Wieder runter, Trockner leeren, in die dafür vorgesehen Tasche räumen, beide Taschen schultern, in den zweiten Stock schleppen unter Umgehung des Aufzugs zum Training der alten Knochen, Wäsche fein säuberlich falten und in den Schrank legen, dabei die Socken richtig zuordnen. Als Morgenmuffel hätte ich in meinem Tran sonst verschiedene Socken an. Da alle grau, dunkelgrau oder schwarz sind, wäre das kaum aufgefallen, aber man will ja wenigstens die Fassade aufrechterhalten, wenn schon sonst nix dahinter ist.
Resultat: Socken und Pullover etwas fusselig. Der Rest OK. Schön, dass mann jetzt weiß, zur Not das Bisschen Haushalt auch alleine auf die Reihe zu kriegen.
Einbildung ist auch eine Bildung. Sagt der Volksmund. Und der hat öfter recht, als einem recht ist.