Aus dem Leben einer Katze

von Rosalie Svahn

„Wie spät ist es?“, frage ich mich und kratze vorsichtig an die Schlafzimmertür.
„Egal. Ich habe Hunger. Mordshunger.“
Keine Reaktion.
„Na wartet, das kann ich besser.“
Jetzt versuche ich zum Scharren auch meine Stimme gekonnt einzusetzen.
„Miauuu“, gebe ich jetzt zum Besten.
Immer noch keine Reaktion.
Jetzt versuche ich verzweifelt einen Sprung gegen die Tür. Es rumst laut.

„Karlchen! Ruhe!“, sagt Mann Dosenöffner.
Jetzt gebe ich alles.
„Miauuuu“, und kratze heftiger an der Tür als zuvor.
Das ist meine Chance, denke ich weiter, während sich die Tür von innen öffnet.
„Geschafft!“
„Tiger. Es ist Wochenende. An deiner inneren Uhr müssen wir dringend arbeiten“, sagt Lulu verschlafen.
Ich laufe in den Abstellraum. Hier befindet sich mein Katzenklo, meine Futterstation und eine große Wanne mit Wasser.
Lulu kommt langsam hinterher und gibt mir mein Fresschen.
„Mhhh, yummi. Edelfisch in Yoghurtsauce“, schmatze ich los, während sie weiter redet.
„Es ist Sonntag. Lass uns bitte weiterschlafen“, höre ich Lulu sagen, als sie wieder im Schlafzimmer verschwindet.

„Mir passt das nicht. Ich habe Langeweile“, rufe ich nach dem Essen laut.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der rein gar nichts passiert, werde ich richtig sauer.
„Wieso ignoriert ihr mich?“, frage ich verzweifelt.
Doch unsere Kommunikation ist eingeschränkt. Herrchen, Frauchen und ich haben unsere ganz eigene Sprache entwickelt.
Alles was ich tatsächlich von ihnen verstehe, sind mal gerade nur zwei Wörter:
„Nein“ und „Karlchen“.
Dafür habe ich meinen Dienern beigebracht, mich morgens zwischen vier und fünf Uhr zu füttern. Dazu gehört selbstverständlich auch frisches Wasser aus der Leitung.
Wie konnte Lulu das nur vergessen? Sie weiß doch, dass ich das abgestandene Wasser nicht mag.
„Ich bin am Verdursten“, brülle ich los.

Jetzt kommt Mike aus dem Schlafzimmer getrottet.
„Karlchen. Was ist los?“, fragt er mich schlaftrunken.
Ich zeige ihm den Weg in die Küche. Langsam schlürft er hinter mir her. Der weilen springe ich auf die Spüle und halte mein Maul unter dem Wasserhahn auf. Mike stellt das Wasser an. Jetzt spüre ich das frische Wasser auf meiner trockenen Zunge. Nach nur zwei Minuten stellt Mike das Wasser ab. Ich beschwere mich lautstark.
Daraufhin kommt Lulu in die Küche.

„Was ist hier los? Dicker, du bist eine echte Diva“, stellt sie fest.
Während Lulu die Kaffeemaschine anstellt, ist Mike wieder ins Bett getaumelt.
„So, und jetzt ist Ruhe“, bittet Lulu mich.
„Nee, ich will mehr Wasser aus dem Hahn“, bettle ich sie an.
Meine Zunge hängt voller Erwartung am Wasserhahn.
„Oh Mann. Du bist nervig“, lacht Lulu und stellt mir das Wasser wieder an.
Sie streichelt mir liebevoll über den Rücken. Danach beobachtet sie mich beim Trinken.
Wieso beobachtet sie mich, frage ich mich und schlecke weiter.
„Wann ist der Kaffee endlich da?“, höre ich Mike aus dem Zimmer rufen.
„Komm gleich“, ruft Lulu zurück und stellt das Wasser ab.
„So Karlchen. Jetzt ist Ruhe. Wir wollen den Sonntag auch mal ausruhen“, bittet sie mich.
„Na gut. Für ein paar Minuten gebe ich Ruhe. Danach will ich aber definitiv von euch entertaint werden“, sage ich ihr hinterher, als sie mit zwei Tassen Kaffee aus der Küche im Schlafzimmer verschwindet.

ch gebe den beiden eine kurze Pause. Schließlich muss ich mich jetzt erst einmal ausgiebig putzen. Nach einer Weile springe ich vom Küchenblock hinunter. Langsam schleiche ich den Flur entlang. Ich stehe wieder vor verschlossener Tür.
„Ich will rein. Lasst mich rein“, rufe ich verzweifelt.
„Ruhe! Der Kater macht mich wahnsinnig“, schreit Mike.
„Lass ihn doch rein“, bittet Lulu ihn.
„Genau das ist der Grund, warum er so verzogen ist. Du bist nicht konsequent genug“, höre ich Mike reden.
Ich höre Schritte. Die Tür öffnet sich.
„Komm` rein Tiger. Aber lieb sein“, sagt Lulu hoffnungsvoll.

„Nö. Keine Lust. Will spielen“, schreie ich.
Ich bin im Jagdmodus. Die Füße von Mike zappeln wie eine kleine Maus unter der Bettdecke. Mit einem Sprung beiße ich ihm in den Zeh.
„Aua! Scheiß Kater“, ruft er mir hinterher, als ich schnell hinaus auf den Flur renne.
Ein Kissen verfehlt mich um ein Haar.
„Glück gehabt“, denke ich laut und höre, wie die Schlafzimmertür zu knallt.
Lulu und Mike streiten sich.
„Endlich kommt Leben in die Bude“, denke ich laut.
„Ruhe!“, kommt es aus dem Schlafzimmer gerufen.
„Mhhh. Na gut. Dann schlafe ich eben eine Runde“, rufe ich zurück.

Beleidigt kringele ich mich auf das Sofa. Mikes Lieblingsplatz.
Nach nur fünf Minuten steht er vor mir.
„Runter“, befiehlt er mir.
Ich tue so, als ob ich ganz fest schlafe.
„Schatz. Schau ihn dir an. Jetzt tut er so, als ob nichts gewesen wäre. Er schläft tief und fest“, denkt Mike wirklich.
„Oh, er kann so süß sein, wenn er will“.
Sie lächelt friedlich.
Mike hingegen ist stinksauer. Zum Glück lässt er mich liegen.
Lulu bereitet das Frühstück vor. Der große Esstisch im Wohnzimmer wird reich gedeckt. Käse, Wurst, Butter, Marmelade stehen auf dem Tisch.

„Mmh, wie das duftet“, denke ich, als Lulu in der Küche verschwindet.
„Ich bringe den Müll raus. Bin gleich wieder da“, ruft Mike Lulu hinterher.

„Das ist meine Chance“, denke ich auf den Tisch hüpfend.
Dabei mache ich mich über die Butter her. Lulu kommt herein.
„Karlchen! Nein!“, schreit sie und schleudert mich vom Tisch.
Meckernd gehe ich zurück aufs Sofa und schmolle.
„Was hat er jetzt wieder angestellt?“, fragte Mike Lulu, als er wieder von draußen kommt.
Lulu sagt nichts. Ihre Blicke sagen mehr als tausend Worte.
„Nee, oder? Nicht die Butter“, stellt Mike jetzt fest.
„Du Schlingel. Kannst du nicht einmal lieb sein und wenn es nur ein Sonntag ist?“, fragt er mich.
Darauf hin, fällt mir nichts ein. Anstatt ihm eine Antwort zu geben, starre ich ihn einfach an.
„Er kann dich doch nicht verstehen, Schatz“, lacht Lulu.

„Ich bin mir sicher, dass er ganz genau versteht, was ich sage“, entgegnet ihr Mike.
„Wenn du wüsstest“, lache ich in mich hinein und kuschel mich in meine Sofaecke.
„Für mich ist jeder Tag ein Sonntag“, gähne ich zufrieden und beobachte meine Dosenöffner beim Frühstücken um fünf Uhr in der Früh.

 

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